Wird geschrieben über den Nationalsozialistischen Untergrund, beschmierte Stolpersteine und Kornblumen an den Revers von FPÖ-Nationalratsabgeordneten spricht und hört man von „Faschismus“, „Neonazismus“, „Rechtsextremismus“, „Rechtspopulismus“, „Rechtsradikalismus“ oder einfach nur das Wort „rechts“.

Schon klar, dass hier ein- und dieselbe menschenverachtende Ideologie gemeint ist. Nichts desto trotz wäre es notwendig, sich über die tieferen Definitionsebenen dieser synonym verwendeten Begriffe Gedanken zu machen. Warum? Weil besonders bei dieser sensiblen Thematik darauf geachtet werden sollte, dass Begriffe nicht zu inflationär gebrauchten Worthülsen verkommen, die den gegenteiligen Effekt der eigentlich Intention haben: nämlich eine Abwertung der Problematik und eine damit einhergehende Beliebigkeit und damit Verharmlosung dieser Weltanschauungen. Die beinahe schon historisch anmutenden Faschismustheorien wirken mittlerweile mehr als verstaubt. Vor allem jene Theorien, die den Faschismus als Variante des Kapitalismus in der Krise betrachten, verkürzen das Problem – sie sehen weder Rassismen als zentrales Kriterium, noch sind sie auf moderne Formen des Rechtsextremismus anzuwenden.

Besonders jüngere Formen rechtsextremer Subszenen (z.B. Die Unsterblichen) sehen sich selbst als kapitalismuskritisch und – ein weiterer wichtiger Punkt – lehnen den historischen Nationalsozialismus ab. Sie sind dennoch aufgrund anderer Definitionsfaktoren (Chauvinismus, Sündenbockprinzip, Führerprinzip/starke Hierarchisierung, Rassismus/Volksgemeinschaftsprinzip, die Nation überhöhendes Geschichtsbewusstsein, Gewaltakzeptanz, Demokratiekritik) als rechtsextrem einzustufen. Ein ähnliches Argumentationsmuster ist auch auf den Begriff des „Neonazismus“ anzuwenden. Er ist eine Erscheinungsform des Rechtsextremismus, der als zentrales Element die Glorifizierung des historischen Nationalsozialismus betreibt und dessen oberstes Ziel die Wiedererrichtung des nationalsozialistischen Deutschen Reiches ist. Versucht man es auf eine Formel zu bringen, lässt sich sagen: Jeder Neonazi ist rechtsextrem, aber nicht jeder Rechtsextreme ist auch Neonazi. Vor allem „rechtsradikal“ und „rechtsextrem“ werden synonym verwendet. Der Definitionshintergrund ist in weiten Teilen der gleiche. Allerdings gilt der Begriff „Rechtsradikalismus“ mittlerweile als veraltet – er findet sich überwiegend in Fachliteratur aus den 70er und 80er Jahren.

Hinsichtlich politischer Parteien findet immer öfter die Bezeichnung „rechtspopulistisch“ Verwendung  – egal ob in Bezug auf die FPÖ, den Vlaams Belang, den Front National oder die Wahren Finnen. Vordergründig erkennen sie die Demokratie an, ideologisch spitzen diese Bewegungen erzkonservative, reaktionäre Haltungen (z.B. in der Einwanderungspolitik) zu und verbinden diese mit dem Prinzip „einfache Lösung für komplexe Problemstellungen“. Antisemitismus und allzu offener Rassismus werden zusehends vermieden – stattdessen setzt man sich für ein „Europa der Vaterländer“ ein, propagiert einen Ethnopluralismus (das Nebeneinander und nicht Miteinander der Völker) und stellt sich als „Verteidiger des kleinen Mannes“ dar, während tatsächlich vor allem Politik für die vermeintlich verfemten Eliten betrieben wird. All das heißt nicht, dass nicht trotzdem Kontakte zu Teilen rechtsextremer und neonazistischer Szenen bestehen.

Als verkürzte Form, ebenfalls gerne synonym für „rechtsextrem“ verwendet, findet sich der Begriff „rechts“. Er umfasst im Wesentlichen alles „rechts der Mitte“ – und ist aus diesem Grund auch der schwammigste der genannten Begriffe. Ihn allzu inflationär zu gebrauchen, birgt ganz erheblich das bereits beschriebene Risiko der Beliebigkeit. Wichtig ist zudem, dass wir uns darüber klar werden, dass es „den“ Rechtsextremismus, „den“ Neonazismus, „den“ Faschismus etc. nicht gibt. Wir als KritikerInnen laufen hier Gefahr, alles in einen Topf zu werfen, kräftig umzurühren und bei der Expertise zwischen den mehr oder weniger zusammenhängenden Szenen und deren Unterschieden den Durchblick zu verlieren.

Eine weitere Gefahr bergen diese begrifflichen Unschärfen auch darin, dass sie angreifbar machen. Rechtskonservative bis rechtsextreme IdeologInnen und Intellektuelle haben somit die Möglichkeit, bei dieser Unschärfe einzuhaken und durch die dieser Ideologie eigenen Argumentationstechnik der Umkehrung und Überhöhung die Kritik der „GegnerInnen“ ad absurdum zu führen. Ein weiterer Punkt, der dafür spricht, in Debatte und Darstellung ganz besonders auf die Begriffe zu achten, ist die Entwicklung, die die Szenen in den vergangenen Jahren durchlaufen haben. Das Bild des Springerstiefel und Bomberjacke tragenden, prügelnden und grölenden Neonazi-Skinheads, das sich bis heute hartnäckig in Köpfen und Medienberichten hält, repräsentiert schon lange nicht mehr das Szenebild – sofern es das überhaupt je getan hat. Natürlich gibt es diese neonazistischen Skinheads nach wie vor und natürlich geht von ihnen aufgrund ihrer hohen Gewaltbereitschaft eine erhebliche Gefahr aus. Dennoch sind sie nur ein verhältnismäßig kleiner, wenn auch auf den ersten Blick erkennbarer Teil der vielfältigen rechtsextremen Szenen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Rechtsextremismen vielfältig in Erscheinung treten – negieren wir diese Vielfältigkeit, wird es uns schwer fallen, tatsächliche Probleme zu erkennen.

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