Fall 1: Hass im Netz und heute.at

Die Reportage des Teams von „Thema“ zu „Hass im Netz“ im Juli 2017 legte schonungslos offen, wie die Mechanismen funktionieren, die uns dazu bringen, andere Menschen in den Sozialen Medien zu beschimpfen und abzuwerten. Opfer kamen zu Wort. Ebenso wie TäterInnen. Das, was seitdem und in nur wenigen Tagen passiert ist zeigt, wie notwendig Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung sind. Bereits am 10. Juli lancierte heute.at auf seiner Facebookseite ein Posting.

Die Diskussion unter dem Thread war relativ divers. Die negativen Postings bezogen sich allerdings in erster Linie auf zwei Hauptaussagen:

1. Der Vorwurf, Natascha Kampusch würde sich wichtig machen und medial vermarkten. In weiterer Folge erklärten viele User, sie hätten genug von ihr und wollten darüber nichts mehr lesen.

2. Bodyshaming. UserInnen beschimpfen Natascha Kampusch als „fett“, während andere meinen, dass sie als in der Öffentlichkeit stehende Person gefälligst auf ihr Aussehen und ihr Gewicht zu achten hätte.

Interessant ist zudem die Sprache, die die heute-Redaktion verwendet. Fangen wir beim Postingstext an: „sollte aufklären“ suggeriert Absicht, aber keinen Erfolg. Zweifel bei den LeserInnen werden automatisch gesät. Dass Elke Rock in Tränen ausbrach, erscheint zusätzlich als besonders beachtenswert. Wobei der Grund dafür nicht genannt wird. Gehen wir weiter zu Foto und Artikel-Headline: Unter einem wenig vorteilhaften Foto von Natascha Kampusch prangt „Natascha las: G’scheit fett worden, die Dame.“ Als Kernaussage bleibt also die Verbindung vom Gesicht Natascha Kampuschs und dem Zitat. Ein Bild, das durch die Kommentare unter dem Posting noch weiter perpetuiert wird. In der Gesamtdarstellung geht es der Redaktion offenbar primär nicht darum, „Hass im Netz“ zu thematisieren, sondern um zwei Namen, die in der Vergangenheit massive Shitstorms ausgelöst haben und in weiterer Folge Aufrufe und Klicks garantieren. Zudem geht es im Posting um zwei Zuschreibungen, auf die Frauen ja grundsätzlich gerne reduziert werden: Aussehen und emotionale Überreaktion. Dass viele UserInnen dann entsprechend darauf reagieren, überrascht nicht.

Fall 2: Das Posting der OÖ Polizei, eine Intervention und was danach kam

Auf der offiziellen Facebookseite der Polizei OÖ taucht ein Foto auf: Zwei Beamte in Uniform spazieren am Badestrand bei zwei jungen Frauen dabei – eine davon liegt bäuchlings und mit nacktem Oberkörper auf einem Handtuch und lächelt den beiden Polizisten entgegen. Nun ist ein mögliches Argument, dass jede Palmers-Werbung mehr Nacktheit zeigt als dieses Bild. Doch Palmer ist Palmers (und auch dieses Unternehmen musste sich schon mit Sexismusvorwürfen auseinandersetzen) und die Polizei ist die Polizei. Und Zweitere hat jedenfalls eine Vorbildwirkung. Auch, was das Frauenbild betrifft. Dass man sich nicht weiter bei diesem Foto gedacht habe, mag schon sein. Zeigt aber wieder einmal, welche Rolle Frauen in Werbung und PR zugeschrieben wird. Man könnte schließlich auch einen schönen Sommer wünschen, ohne das „Oben ohne“-Motiv zu bemühen, das zwei uniformierte Beamte anschmachtet. Die Vorsitzende der SPÖ Frauen Oberösterreich und Abgeordnete zum oberösterreichischen Landtag Sabine Promberger reagierte im Rahmen einer Presseaussendung auf das Foto, das kurzerhand wieder offline genommen wurde. Mehrere Medien im In- und Ausland – darunter der niederländische Telegraaf, oe24, der Kurier oder auch das Liferadio – griffen die Meldung auf und schalteten entsprechende Postings in den sozialen Netzwerken. Ich habe mir im Speziellen die Facebookauftritte von oe24.at und den Oberösterreichischen Nachrichten angesehen. Die Reaktionen waren fast zu hundert Prozent negativ. Der Tenor: Haben wir denn keine anderen Probleme in unserem Land. Darunter mischen sich allerdings massiv beleidigende und teilweise als grob hetzerisch zu bezeichnende Kommentare, die sich entweder gegen die „Emanzen“ im Allgemeinen oder gegen die Person Sabine Promberger wenden. Auch hier ist zu beobachten, dass sich die UserInnen vor allem auf das Aussehen konzentrieren. Zusätzlich werden außerdem die Themen „Emanzipation“ und „Migration“ miteinander vermischt. Kernaussage hierbei: Man solle sich lieber auf die „marodierenden“ und „vergewaltigenden“ Ausländer konzentrieren, anstatt „unsere“ Polizei anzupatzen. Offensichtlich wird, dass sich wohl niemand über das Engagement von Sabine Promberger gegen Gewalt an Frauen, für Gleichstellung und die Änderung des gesellschaftlichen Frauenbilds informiert hat. Es entsteht ein klares Feindbild: Die „rote, realitätsfremde Emanze“ vs. „unsere Polizei und unsere hübschen Frauen“. Hier einige Beispiele:

Fazit

Insgesamt ist zu beobachten, dass die Redaktionen so gut wie nicht moderieren. Innerhalb weniger Stunden schaukelt sich die Stimmung unter den UserInnen so massiv auf, dass eine Intervention fast nicht mehr möglich ist. Zudem spielt bei heute.at und oe24.at die Policy, möglichst reißerische Headlines und emotionalisierende Postings abzusetzen, eine erhebliche Rolle in Bezug auf die Reaktionen der Community. Selbst grobe Beschimpfungen und Kommentare wie „untervögelte Frauen“ bleiben unmoderiert stehen. Beide Beispiele zeigen, wie groß die Verantwortung seitens der Redaktionen ist, wie wenig stark die Sensibilität in der Gesamtgesellschaft vorhanden ist und wie sehr es Reportagen wie die des „Thema“-Teams sowie bildungspolitische Maßnahmen noch brauchen wird.

Thema spezial: Hass im Internet

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