Alena Schröder fragt in der SZ „Wohin mit der weiblichen Wut?„. Ich lese den Artikel aufmerksam. Und eine schäumende Pfütze Wut beginnt in mir zu brodeln. Sie brennt in meinem Bauch, steigt den Hals hoch und am liebsten würde ich laut brüllen und irgendwas gegen die Wand werfen. Ich tu es nicht. Weil es sich „nicht gehört“. Nicht einmal, wenn frau alleine ist.
Ich grüble über Situationen nach, wo mir schlecht war vor lauter Zorn. Wo ich gemerkt habe, wie ich bleich wurde in Anbetracht der Absurditäten und Frechheiten mir gegenüber. Und ich überlege, wonach mir eigentlich gewesen wäre.
Jedes einzelne Mal, wenn ich bei Vorträgen von Co-Referat haltenden Typen unterbrochen (ja, während des Vortrags!) wurde, die so von sich selbst überzeugt unglaublichen Unfug verzapften. Wortmeldungen, die ich – höflich natürlich und leise differenziert, damit sich das Gegenüber nicht auf den Schlips getreten fühlt – aufgriff und durch die Blume klarlegte, dass das jetzt vielleicht nicht so der wiffe Wurf war. Ignorieren wäre natürlich auch gegangen. Oder mit lauter Stimme „Sie sind jetzt nicht dran“ tönen und im Vortrag weitermachen.
Oder in einer anderen Situation, in der mir ein (heute zum Glück Ex-)Vorgesetzter eröffnete, ich solle abnehmen und sei zu dick. Ich saß da, schwieg, kämpfte mit den aufsteigenden Tränen und machte mir Sorgen um meinen Bürojob (den ich ohnehin später verlor, aber aus anderen, wenngleich nicht weniger absurden Gründen) anstatt völlig auszurasten und ihm entgegen zu schreien, dass ihn das einen Scheißdreck angeht. Selbst bei meinem Rauswurf blieb ich ruhig und beherrscht. Rückblickend völliger crap.
Während meiner Studienzeit in einem Lokal. Typ langte mir an den Hintern. Ich ignorierte es. Er tat es wieder. Ich dreht mich um und sagte ruhig, er solle das lassen. Er meinte „Dich langt doch sowieso keiner an. Das war ich nicht.“ Anstatt auszuflippen ging ich weinend nach Hause und fühlte mich wie Dreck.
In all diesen Momenten, wo einer das Wort abgeschnitten wird und frau im Sinne der „Höflichkeit“ keine Diskussion darüber anfängt („hab dich nicht so, ist ja nix passiert“ denkend) schluckt frau den Zorn runter, lächelt höflich und tut, als ob nichts wäre. Denn es gehört sich nicht. Schon gar nicht im Job. Wenn frau beim Bewerbungsgespräch gefragt wird, ob sie Kinder hat, wie’s mit der Familienplanung aussieht oder ob sie verheiratet ist, wäre die passende Reaktion zu fragen, was verfickt nochmal das irgend einen Dienstgeber angeht. Stattdessen wurschteln wir uns galant drüber, zupfen den Kragen zurecht und lächeln.
Frauen sind hysterisch, machen Szenen, sind unprofessionell, überfordert und Zicken – das sind die Erzählungen über Frauen, denen die Hutschnur reißt und die das auch sagen. Die mit rotem Zornesgesicht die Dreinquatscher und Beleidiger und Zurechtweiser und G’scheithaubn und Egomanen anbrüllen und sie auf ihre Plätze verweisen. Die darauf beharren, jetzt verdammt nochmal am Wort zu sein, ohne ständig unterbrochen zu werden. Die austicken in Anbetracht jener Inkompetenz, die trotzdem immer noch mehr zählt als ihre Kompetenz, ihr Können und das, was sie sich hart erkämpft haben.
Männer sind straight, patent, entschlossen, mutig und es ist so klass‘, wenn sie „auf den Tisch hauen“. Heißt es halt landläufig. Selbst wenn sie völlig ausflippen. Oder einfach nur darauf beharren, jetzt am Wort zu sein, ohne unterbrochen zu werden. Sie bekommen Respekt. Frauen bekommen Verachtung und Geringschätzung. Natürlich haben sie zu lächeln dabei. Wenn frau das nicht tut, heißt’s nämlich: Wieso schaust denn immer so ernst? Wenn du lachst, bist du viel hübscher.
Liebe Frauen. Es ist an der Zeit, völlig auszuticken.
Beitragsbild: Women in rage. Author: Emergency Brake | Source