Martina Salomon vergleicht in ihrem Kurier-Kommentar „Blau ist das neue Rot“ vom 3. November 2018 die Sozialpolitik der FPÖ mit jener der SPÖ. Sie führt als Beispiele Pensionen, Abschaffung des Pflegeregresses und generell eine angebliche Fortsetzung der SPÖ-Politik durch die FPÖ an. Ein guter Anlass, etwas genauer hinzuschauen.
„Gleich zu Beginn dieser Regierungsperiode wurde mit der Abschaffung des Pflegeregresses eine SPÖ-Forderung umgesetzt.“ Das ist keine Errungenschaft der schwarzblauen Regierung. Der Beschluss wurde im Juni 2017 unter der Vorgängerregierung getroffen. Genauer am 29. Juni 2017. Oder hätte sich Schwarzblau erst gar nicht an den Beschluss halten sollen, frage ich?
„Ein (teurer) steuerlicher Familienbonus wird ab 2019 eingeführt“, schreibt Frau Salomon. Stimmt. Entgegen der Kritik der SPÖ, die immer wieder darauf hingewiesen hat, dass dieser Familienbonus vor allem Besserverdienenden etwas nützt. Jene, die aufgrund ihres niedrigen Verdienstes keines Lohnsteuer, aber dafür gemessen am Einkommen überproportional viel Konsumsteuern zahlen (was ÖVP und FPÖ ja gerne mit dem Spin, diese Betroffenen würden keine Steuern zahlen, unter den Tisch fallen lassen) profitieren vom Familienbonus eben genau nicht. Der Familienbonus wurde übrigens gegen die Stimmen von SPÖ und Liste Pilz beschlossen. Also weder ein sozialdemokratischer Vorschlag noch die Erfüllung sozialdemokratischer Politik.
Nächster Punkt: Die Kürzung der Kinderbeihilfe für die Kinder ausländischer Arbeitskräfte. Salomon stellt den Widerstand der SPÖ gegen diesen Beschluss so hin, als ob der einzige Anlass dieses Widerstands wäre, sich gegen die FPÖ abzugrenzen. Das ist nicht korrekt. Die Begründung der SPÖ für die Ablehnung war das Grundprinzip, dass jedes Kind gleich viel wert sein MUSS. Zudem trifft die Kürzung in überwiegendem Maße Frauen, die etwa als Pflegekräfte in Österreich – oft unter schlechten Bedingungen und mit schlechter Bezahlung – arbeiten. In der Vergangenheit hat man mehrfach beobachten können, dass es der SPÖ nicht zuträglich war, sozial- und gesellschaftspolitisch rechte Einstellungen zu übernehmen, um Wahlerfolge einzufahren. Bestes Beispiel: Wien.
Nun einige Beispiele der FPÖ-Politik, die die These von Frau Salomon zusätzlich widerlegen:
- Die FPÖ trat in OÖ vehement für eine Kürzung der Kulturförderungen ein. Dies traf und trifft vor allem progressive Kulturvereine und Künstler*innen, aber auch z.B. Blasmusikvereine. Wenngleich die SPÖ kulturpolitisch schon besser aufgestellt war, so trat sie vehement gegen die Kürzungen auf und unterstützte die von der KUPF OÖ initiierte Initiative „Kulturland retten“. Im Gegensatz zur FPÖ.
- Die Kürzung der BMS – von FPÖ und schwarzblauer Regierung gerne als Maßnahme verkauft, die sich gegen Flüchtlinge richtet (was verwerflich genug ist) – jedoch tatsächlich alle (auch österreichische Staatsbürger*innen) betrifft, die z.B. keinen entsprechenden Pflichtschulabschluss nachweisen können, wird von der SPÖ scharf abgelehnt. Ein Teil der SPÖ – das muss angemerkt werden – stellte sich hier allerdings gegen die bundespolitische Linie. Auch ein Konfliktpunkt innerhalb der Sozialdemokratie, der nicht vergessen werden darf, jedoch nicht als Leitlinie für sozialdemokratische Politik verwendet werden kann, um rechtspopulistischen Positionen nach dem Mund zu reden und kurzfristig Wahlerfolge einzufahren, während man aus reinem Opportunismus sozialdemokratische Grundhaltungen mal schnell über Bord wirft.
- Stichwort Frauenpolitik: FPÖ und ÖVP kürzten einer Reihe von Organisationen und Beratungseinrichtungen zur Unterstützung von Frauen die Mittel. Wer das Frauenbild der FPÖ kennt, kann sich darüber nicht wundern. Von Seiten der SPÖ Frauen kam eine eindeutige und scharfe Positionierung gegen diese Kürzungspolitik, der vor allem marginalisierte Frauen vor erhebliche Probleme stellt und noch weiter stellen wird. Wo hier Parallelen zwischen FPÖ und SPÖ gezogen werden sollen? Man weiß es nicht.
Die Liste könnte noch um einige Punkte ergänzt werden. Dass „Blau das neue Rot“ sein soll, weil die FPÖ sozialpolitisch auf roter Linie sei (was sie nicht ist), mag für manche Wunschdenken sein. Realpolitisch und ideologisch – bei aller Kritik an manchen Haltungen der SPÖ – könnte die Entfernung nicht größer sein.