Die Diskussion über Gewalt gegen Frauen wird in Österreich geführt. In einer breiten Öffentlichkeit. Wie diese Diskussion aussieht – dazu später mehr. 2017 gab es 34 Femizide, 2018 waren es 32 (Jänner bis November 2018). Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern werden in Österreich mehr Frauen als Männer ermordet. Und der gefährlichste Ort für Frauen ist nach wie vor die eigene Familie. Die Wiener Zeitung hat dazu einen ausführlichen Bericht inklusive Statistiken veröffentlicht. Das zur Einleitung.

Gewaltprävention = Populismus?

Die Chefredakteurin des Kurier Martina Salomon bezieht sich in ihrem Kommentar „Gewaltprävention ist kein Populismus“ vom 17. Jänner 2019 nicht nur auf die Femizide, sondern zieht die Argumentationslinie direkt zum Thema Waffenverbot und den Plan der Bundesregierung, Tätern ihren Asylstatus (sic!) abzuerkennen. Relevant ist bei diesem Kommentar aber nicht nur, worauf sich bezogen wird, sondern vielmehr das, was weggelassen wird. Sehen wir uns Kommentar, Argumentation und den konkreten Bezug auf die Maßnahmen Waffenverbot und Abschiebung unter dem Aspekt der gewaltpräventiven Wirkung etwas genauer an.

Diskursverschiebung

Spannend ist schon der Untertitel: „Abschieben von Gewalttätern, Waffenverbot in der Stadt: Es muss möglich sein, darüber zu diskutieren.“ Die Verquickung von Täternationalität mit Gewaltprävention passiert im Moment in der öffentlichen Debatte überproportional häufig. Sie blendet allerdings komplett aus, dass die Mehrheit der Täter immer noch Österreicher sind. Fokussiert man sich auf die Nationalität, externalisiert man den Diskurs: Weg von der Gewaltproblematik hin zum Thema Migration – politisch praktisch, in der Sache und vor allem für die Prävention wenig nützlich. Weg von den Opfern hin zu den Tätern (und deren Herkunft). Nothing new. Martina Salomon unterstreicht diesen Zusammenhang im letzten Absatz noch einmal:

„Natürlich darf es keinen Generalverdacht geben, und bei Weitem nicht alle Gewalttäter haben Asyl- oder Migrationshintergrund, aber doch zu viele. Ein Teil kommt aus rückständigen Regionen mit Macho-Kulturen und rabiater, religiös motivierter Ideologie, in denen ein Frauenleben nicht viel wert ist. Es muss legitim sein, sich Gedanken zur Gewaltprävention zu machen, ohne dass das als Rassismus oder Demagogie abgetan wird.“

Das Argument, Abschiebung wäre ein gewaltpräventiver Akt, ist problematisch. Eine Abschiebung ändert an der Einstellung eines Täters genau nichts. Der Glaube „aus den Augen, aus dem Sinn“ befriedigt tatsächlich rassistische Denkmuster. Einerseits, weil Frauenhass ethnisiert und kulturalisiert wird. Andererseits, weil dadurch signalisiert wird, dass Taten gegen Frauen, die nicht in Österreich leben, uns ja nix anzugehen haben.

Externalisierung des Machismo

Ebenso problematisch: Die Behauptung, Täter kämen aus „Macho-Kulturen“, die nur jenseits österreichischer Grenzen existieren. Als würde Machismo in Österreich nicht vorkommen. Doch egal ob in der Darstellung von Frauen in der Werbung, in diversen Kommentarspalten (wir erinnern uns an Artikel von Martin Leidenfrost zum „Marsch des Lebens“ – hier eine Analyse desselbigen), in Zeitungsforen, auf Stammtischen, am Arbeitsplatz oder Social Media: Überall apern Machismo, toxische Männlichkeit und Frauenhass heraus. Die Verbindung „Gewalt gegen Frauen – Gewaltprävention – Rassismus“ wird nicht von den Kritiker*innen hergestellt, sondern von jenen, die ignorieren, dass das Problem nicht die Herkunft eines Täters ist, sondern in allen Gesellschaften existierende patriarchale Gesellschaftsnormen und die auch in Österreich nicht existente Gleichstellung von Mann und Frau. Sich an der Nationalität des Täters festzubeißen, bringt uns nicht weiter. Sinnvoller wäre es danach zu fragen, welche Rolle männliche Machtansprüche (und die Angst vor Machtverlust) spielen und wie schädlich Maskulinismus für die gesamte Gesellschaft ist.

Solange Männer konservative Rollenbilder als erstrebenswertes Ideal präsentiert bekommen und sich gleichzeitig anhören müssen, dass sie „Weicheier“ und „unmännlich“ seien, wenn sie Care-Arbeit übernehmen, feministische Einstellungen vertreten, gewaltfreie Konfliktlösung präferieren und sich aus der klassischen Familienernährerrolle herauslösen möchten, werden wir weiterhin mit der hohen Zahl der von psychischer und physischer Gewalt betroffenen Frauen konfrontiert sein. Man kann diesen Zugang lapidar als „Gender-Kurs“ abtun, ignoriert aber dadurch die Expertise von Soziolog*innen, Gewaltforscher*innen, Sozialarbeiter*innen, Beratungseinrichtungen und Frauenhäusern.

The Backlash is real – und verfestigt Tabus

Das Tabu der Gewalt von Männern gegen Frauen wird tatsächlich wieder stärker. Wie das? In Zeiten des konservativen Backlashs und der Kürzung von Beratungseinrichtungen und Projekten durch eine schwarzblaue Bundesregierung in Kombination mit der Einengung des Diskurses wird an der Bedrohungslage, in der Frauen sich quer durch alle ökonomische und soziale Gruppen nach wie vor befinden, genau nichts geändert . Nur als Beispiel: Die Regelung der gemeinsamen Obsorge bringt Frauen unter enormen Druck, wieder in gewalttätige Beziehungen zurückzukehren. Die als Allheilmittel präsentierten höheren Strafen für Täter sind kein adäquates Mittel des Opferschutzes. Die Taten passieren ja trotzdem. An den Machtverhältnissen ändern höhere Strafen genauso wenig etwas wie an Abhängigkeitsverhältnissen. Und die Geschichten der von Gewalt betroffenen Frauen ähneln sich – unabhängig von Herkunft. In einem Gespräch von Elfriede Hammerl mit Andrea Brem (Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser) wird all das und noch mehr thematisiert. Andrea Brem spricht hier einen wichtigen Punkt an, der an dieser Stelle besonders betont werden muss: Die immer noch dominierende Sympathie mit dem Patriarchat und denen, die in diesem System die Macht halten oder sogar ausbauen. Keine guten Voraussetzungen für einen wirksamen Opferschutz. Kleines Detail am Rande: Seit Ende 2017 führen – so Andrea Brem – Frauenhäuser in Wien die Schulungen für die Polizei kostenlos durch, weil bei der Polizei dafür keine Mittel mehr bereitstehen. Auch interessant.

Das Thema Waffenverbot sei an dieser Stelle schnell abgehandelt. Über das Waffenverbot an sich kann durchaus diskutiert werden. Die Verbindung mit dem Thema Gewalt gegen Frauen funktioniert allerdings nicht. Wir erinnern uns: Der gefährlichste Ort für Frauen sind die eigenen vier Wände. Instrumente für die Tötung einer Frau finden sich dort zuhauf. Und solange man den Tätern die Hände, die schlagen, schubsen und würgen und die Beine, die treten nicht abschrauben kann, ist ein Waffenverbot kein Mittel, um Gewalt gegen Frauen adäquat zu bekämpfen.

Besinnung auf Expertise

Gerne werden im Diskurs Sachlichkeit und Faktenbasis eingefordert. Wer liefert Sachlichkeit und Faktenbasis? Üblicherweise jene, die sich mit Themenkomplexen, Systematiken und Präventionskonzepten auseinandersetzen und praktische Erfahrungswerte haben – kurz: eine Expertise. Dazu gehören eben Wissenschaftler*innen, Frauenhäuser und Beratungseinrichtungen. Deren Expertise wird halt gerne als „blauäugig“ oder „genderideologisch motiviert“ abgetan. Ein Narrativ, das gut in das Bild der „rohen Bürgerlichkeit“ passt, das die Politologin Natascha Strobl in einem Falter-Artikel zeichnet.

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