Februar 1934. In Österreich regiert Engelbert Dollfuß autoritär. Die starke Sozialdemokratie ist den Akteur*innen des Austrofaschismus ein Dorn im Auge. Die „große Erzählung“ zum 12. Februar ist eng verknüpft mit Oberösterreich und Ebensee im Speziellen. Gemeinsam begeben wir uns auf einen Rundgang durch die Tage des Februar 1934 – in Österreich, Oberösterreich und Ebensee.

Der Gewaltanwendung seitens der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs fiel laut „Linzer Programm“ (1926) eine passive Rolle zu. Im Falle einer Bedrohung der demokratischen Republik wollte die Sozialdemokratie als letztes Mittel die bewaffnete Verteidigung wählen.

Symptomatisch für die austromarxistische Taktik war die Tatsache, dass Otto Bauer, Oskar Helmer und Karl Renner dafür eintraten, den immer offener zu Tage tretenden Faschismus mit demokratischen Mitteln, also dem Stimmzettel oder im Extremfall durch Streikmaßnahmen und Massendemonstrationen entgegenzutreten. Diese Abwartehaltung der SDAP, 1930 noch stimmenstärkste Partei, konnte einem immer größer werdenden Einfluss der Heimwehr auf den Staatsapparat und der sukzessiven Beschneidung der Arbeiterrechte nicht wirksam entgegentreten.

Zwischen März und November 1933 wurden durch BK Dollfuß zahlreiche Maßnahmen ergriffen – als Beispiele wären hier etwa Pressezensur, Verbot des Republikanischen Schutzbundes, Einführung der Todesstrafe und das Verbot der KPÖ sowie Dollfuß berühmte „Trabrennplatzrede“ („sozialen christlichen, deutschen Staat auf ständischer Grundlage und autoritärer Führung“) zu nennen.

  • Zur Trabrennplatzrede – Ansprache von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß mit Prinzipienerklärung des autoritären Regimes am 11. September 1933 in der Österreichischen Mediathek (Audio).

Am letzten Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei im Oktober 1933 bekannte man sich zu einer „friedlichen und verfassungsmäßigen Lösung der Krise“. Als absolute Grenze zwischen Kompromiss und Bürgerkrieg wurden 4 Anlassfälle festgeschrieben:

  • die Aufhebung der Rechte Wiens,
  • die Auflösung der SDAP,
  • die Gleichschaltung der Gewerkschaften,
  • eine faschistische Verfassung.

Richard Bernaschek (OÖ Landesparteisekretär und Schutzbundführer) forderte in einem Brief die Wiener Parteileitung auf, im Falle von Verhaftungen oder Waffensuchen gewaltsam Widerstand zu leisten. Die Waffensuche der Polizei im Parteiheim der SDAP in Linz im Hotel Schiff stieß demnach auf den angekündigten Widerstand, der sich schnell auf Wien und die Industriegebiete in OÖ und der Steiermark ausweitete. Unter anderem auch auf Ebensee.

Im Salzkammergut besteht eine lange Tradition der sozialdemokratischen Arbeiter*innenbewegung. Nicht zuletzt mit Unterstützung Konrad Deublers wurden schon 1868 in Hallstatt ein Arbeiter*innenverein und im selben Jahr Arbeiter*innenkonsumvereine in Goisern, Ebensee und Hallstatt gegründet.

Anfang der 30er war Ebensee weit und breit die einzige Gemeinde, die von Sozialdemokrat*innen verwaltet wurde. Der Stimmenanteil der Sozialdemokratie lag bei der Landtagswahl vom 19. April 1931 bei 56%. In Ebensee war ein Großteil der Arbeiter*innenschaft im Salinenbetrieb, den Solvay-Werken und der Weberei beschäftigt. Seit 1918 wurde das „rote Ebensee“ von einer starken sozialdemokratischen Mehrheit unter Bürgermeister Max Zieger politisch dominiert.

Die Angaben über die Stärke des Schutzbundes im Februar 1934 sind damals von den Behörden maßlos übertrieben worden, der Bundesheerbericht spricht von einigen hundert, der Heimwehrbericht gar von „1200 schwer bewaffneten Schutzbündlern.“ Der Republikanische Schutzbund bestand 1934 aus 2 Zügen zu je 40 Mann, dem wiederum etwa 60 Wehrturner*innen (Aktive des Arbeiter*innenturn- und Sportvereins) unterstanden.

Arbeiterturner*innen und Mitglieder des Schutzbundes in Ebensee um die 1930er. (Quelle: Archiv Zeitgeschichte Museum Ebensee)

Die Zahl der Arbeitslosen betrug im Jänner 1934 800-1000 Personen (bei einer Einwohner*innenzahl von rund 9000 Personen), 200 davon waren „ausgesteuert,“ also ohne Arbeitslosenunterstützung.
Darüber hinaus bestanden in Ebensee an politischen Gruppierungen neben der Vaterländischen Front der Freiheitsbund der christlichen Gewerkschafter, eine 25 Personen starke Heimwehr, ein kleiner Verband der Ostmärkischen Sturmscharen und eine Gruppe radikaler Nationalsozialisten, die immer wieder durch Bölleranschläge und Hakenkreuzschmierereien auf sich aufmerksam machten.
In Ebensee herrschte schon Jahre vor dem Februar 1934 ein gespanntes Verhältnis zwischen der SDAP und den Christlichsozialen und der nach dem Juli 1927 gegründeten Heimwehr.

Bürgermeister Max Zieger. (Quelle: Archiv Zeitgeschichte Museum Ebensee)

Noch am 10. Februar 1934 erschien in der Bürgermeisterkanzlei in Ebensee eine sozialdemokratische Delegation und ersuchte Bürgermeister Max Zieger, eine Depesche an Landeshauptmann Dr. Josef Schlegel zu richten: Ziegers Brief geht am 11. Februar ab. Darin ersucht er das Landesoberhaupt, seine ganze Kraft dafür einzusetzen, um Oberösterreich „vor einem Blutvergießen zu bewahren.“

12. 2. 1934 (FASCHINGMONTAG)

Der Bezirkskommandant des Schutzbundes Baumann informiert die Betriebsräte der Solvay-Werke Johann Wolfsgruber und Josef Hitzenberger von der Gegenwehr des Schutzbundes in Linz. Mittags wird daraufhin in den Ebenseer Betrieben der Generalstreik ausgerufen. Insgesamt verlassen etwa 750 Arbeiter und Arbeiterinnen die Produktionsstätten. Im Arbeiter*innenheim und vor dem Gemeindeamt geben der Obmann der sozialdemokratischen Lokalorganisation Friedrich Hirnböck und der Betriebsratsobmann der Saline Josef Neuhauser Anweisungen an die versammelten Arbeiter*innen.

ArbeiterInnen vor dem Gemeindeamt am 12. Februar 1934. (Quelle: Archiv Zeitgeschichte Museum Ebensee)

Abends und in den Nachtstunden postieren sich Schutzbündler und Wehrturner am Ortseingang, wo man Heimwehrabteilungen erwartet. Darüber hinaus bleibt es in Ebensee noch ruhig.

Über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft kommt es am Abend des 12.2 bzw. am Vormittag des nächsten Tages – die Zeugenaussagen unterscheiden sich hier – zur Verhaftung Hirnböcks, Neuhausers und des Schutzbundobmanns Johann Heißl. Der Schutzbund verliert somit seine führenden Kader.

DIENSTAG, 13.2.1934

Bei Tagesanbruch ist in Ebensee überall die Kundmachung über die Verhängung des Standrechtes zu lesen. In den Betrieben wird jedoch die Arbeit wieder aufgenommen. Trotz Rundfunkmeldungen, dass der Widerstand des Schutzbundes in Linz, Steyr und Holzleithen am Hausruck zusammengebrochen sei, bleibt der Ebenseer Schutzbund bis Mittwoch früh in Alarmbereitschaft.

Zentren der Februarereignisse in Österreich. (Quelle: Archiv Zeitgeschichte Museum)

MITTWOCH, 14.2.1934

Kritisch wird die Lage erst wieder Mittwoch am späten Vormittag als die Arbeiter*innen zuerst in den Solvay-Werken und daraufhin auch in den anderen Betrieben wiederum zu Streikmaßnahmen übergehen. Die Gründe für die Arbeitsniederlegung zu diesem Zeitpunkt sind nicht genau zu rekonstruieren. Eine Version besagt, es sei ein Kurier aus Steyrermühl in Ebensee eingetroffen, der vom Streik in den Papierfabriken in Laakirchen und Steyrermühl berichtete und zur Solidarisierung aufrief.

Während Gendarmerieprotokolle davon berichten, dass mehrere hundert Arbeitslose die Einstellung der Arbeit in der Solvay erzwingen, sprechen Augenzeugen über die Verbreitung des Gerüchts, Heimwehrformationen seien aus Gmunden in Anzug. In der Folge geht der Schutzbund dazu über, die Straße nach Traunkirchen mit Baumstämmen zu verbarrikadieren.

Verbarrikadierte Straße nach Traunkirchen. (Quelle: Archiv Zeitgeschichte Museum Ebensee)

Anton Nußbaumer und Franz Schmied übernehmen inzwischen das Kommando des Schutzbundes. Der Gendarmerieposten wird besetzt und die anwesenden Beamten entwaffnet, Heimwehrführer Jordan verhaftet, sämtlichen Jägern und Förstern die Gewehre weggenommen und Waffensuchen bei politischen Gegnern durchgeführt. Ein Teil der Ebenseer Heimwehrler hat sich zu dieser Zeit bereits per Schiff oder über Bergwege vom Ortsteil „Kohlstatt“ nach Traunkirchen geflüchtet. An diesem Mittwoch befindet sich Ebensee in der Hand der Arbeiter*innen.

Während der gesamten Februarereignisse verfügte der Schutzbund laut Zeitzeugenberichten über nicht mehr als 50 Waffen. Ein kleines Geschütz war im Ortsteil Kohlstatt versteckt, kam jedoch nicht zum Einsatz.

Da die Telefonverbindung nach Ebensee nicht unterbrochen war, konnte von bürgerlicher Seite die Sicherheitsdirektion in Linz unmittelbar verständigt werden. Ein Bataillon Infanterie unter Oberstleutnant Arpàd Kattauer und das Mühlviertler Heimwehrregiment des „Grafen“ Peter Revertera werden mit der Niederschlagung des Arbeiteraufstandes beauftragt. Folgende Weisung erging an das Brigade-Kommande:

„Das von Kitzbühel nach Wien in Bahnbeförderung befindliche erste Bataillon des Infantrieregimenst Nr. 4 ist im Einvernehmen mit dem Sicherheitsdirektor unverzüglich von Linz über Attnang nach Ebensee umzulenken, wo unter der Arbeiterschaft Unruhen ausgebrochen sind.“

Der Plan, mit der Bahn von Gmunden nach Ebensee vorzudringen, wird fallen gelassen, weil befürchtet wird, die Eisenbahnlinie könnte gesprengt werden. Die Anmarschroute erfolgt nunmehr von Süden her, über das Selztal, Stainach-Irdning, Bad Ischl nach Ebensee. Arpàd Kattauer arbeitet bedingt durch übertrieben übermittelte Lageberichte einen genauen Angriffsplan aus. Punkt 14 des Angriffsbefehls lautete:

„Jeder mit der Waffe angetroffene Schutzbündler ist niederzumachen.“

DONNERSTAG, 15.2.1934

Um 7.30 Uhr früh treffen die Regierungstruppen in Bad Ischl ein. Da der Schutzbund für einen effektiven Widerstand nicht gerüstet war, ziehen sich die Arbeiter*innen in den Ortsteil Rindbach zum Almhausberg zurück. Anton Nußbaumer rät den Schutzbündlern die Arbeit in den Betrieben wieder aufzunehmen und bleibt mit Franz Schmied und Genossen Ramm alleine zurück. Nußbaumer, der die ganze Verantwortung auf sich nehmen will, erschießt sich. Er bleibt das einzige Opfer des Arbeiter*innenaufstandes in Ebensee.

Inzwischen sind Kattauer und Revertera in der Ortschaft Steinkogl, fünf Kilometer von Ebensee entfernt, eingetroffen und telegrafiert folgenden Befehl, der vom interimsmäßig eingesetzten Ortsverwalter Anton Stadler verlautbart wird:

„1. Ungefähr in einer halben Stunde treffe ich mit einem Bataillon Infanterie unter meiner Führung und Heimwehr unter Kommando Graf Revertera am Bahnhof Ebensee ein. Sobald bei der Einfahrt in Ebensee ein Schuss fällt oder der geringste Widerstand geleistet wird, wird Ebensee unter schweres Artilleriefeuer genommen.

2. Der gesamt Republikanische Schutzbund von Ebensee hat sich innerhalb 2 Stunden auf dem Hauptplatz zu stellen – der Platz kann selbst bestimmt werden – und sämtliche Waffen niederzulegen. Wird nicht Folge geleistet und nachher bei jemandem bei Durchsuchung ein Gewehr gefunden, wird er rücksichtslos niedergeschossen.

3. Sämtliche Betriebsräte von Ebensee haben sich ebenfalls beim Schutzbund zu stellen.“

Überdies laufen zwei Forstbeamte dem Zug mit den Militärtruppen entgegen und berichten, dass sich der Schutzbund in Auflösung befinde und an keine Gegenwehr gedacht sei. Ein Teil der Infanterie patrouilliert zu beiden Seiten der Traun in den Ort, wobei zwei oder drei Granatschüsse Richtung Almhausberg abgegeben werden, dem vermeintlichen Versteck des Schutzbundes. Besonders schmerzlich für die Arbeiter*innen und Schutzbündler war das Hissen der Heimwehrfahne auf dem Arbeiterheim.
Im Lauf des Nachmittags lässt Kattauer etwa 26 Arbeiter, Schutzbundangehörige und Betriebsräte festnehmen und im Keller und den Garderoben des Turnsaales der Hauptschule gefangen halten.

FREITAG, 16.2.1934

Ein Teil der Festgenommenen muss sich im Freien an der Außenmauer des Turnsaales aufstellen. Alles deutet auf eine bevorstehende Exekution hin, da einige fanatische Heimwehrmänner die Erschießung der Arbeiter fordern.
Arpàd Kattauer belässt es jedoch, nicht zuletzt aufgrund der Intervention des Führers der Vaterländischen Front, Josef Mittendorfer und katholischer Arbeiter, bei einer mahnenden Ansprache. Da kein Blut geflossen sei, stimme er der Enthaftung der Arbeiter zu. Die Anführer würden sich jedoch vor einem Gericht zu verantworten haben. Die Heimwehren aus der Umgebung bleiben noch einige Wochen in Ebensee, während Militär und Reverteras Verbände am Samstag dem 17.2. den Ort verlassen. Die Ebenseer Heimwehr lässt es sich in den folgenden Tagen nicht nehmen, Eigentum der Arbeiter*innenschaft, wie etwa das unter großen Mühen errichtete Arbeiter*innenheim, zu plündern. Bücher aus der Arbeiter*innenbibliothek werden auf Anweisung von Bildungsbeauftragten der Vaterländischen Front in den Traunsee entsorgt. Sämtliche sozialdemokratische Vereine werden gemäß der Regierungsverordnung aufgelöst und deren Vermögen beschlagnahmt.

Zahlreiche Arbeiter*innen verlieren ihren Arbeitsplatz oder werden versetzt. Bürgermeister Max Zieger wird ohne rechtlichen Anspruch auf eine Pension entlassen, ebenso alle sozialdemokratischen Gemeinderät*innen aus ihrem Amt enthoben. Ebenseer Schutzbundangehörige werden in den folgenden Gerichtsverhandlungen zu Kerkerstrafen bis zu einem Jahr verurteilt. Mehrere Arbeiter*innen verloren ihre Anstellungen – so auch Josef Pilz, der Sohn des Mitbegründers des Arbeiterheims. Er sprach in einem Zeitzeugeninterview über die Folgen für ihn:

Wir, die an der Mauer gestanden sind, galten lange Zeit als geächtet. Von den Sozialisten traute sich dann niemand mehr zu uns. Meine Eltern waren niedergeschlagen, insbesondere auch die Mutter, die bedingt durch die politische Tätigkeit des Vaters viele Entbehrungen auf sich nehmen mußte. Ich habe außerdem die Arbeit als Gemeindeschauffeur verloren, weil ich in den Februartagen aktiv beteiligt war. Zuerst habe ich jede Gelegenheit arbeiten zu können angenommen. Ich kann mich noch erinnern, daß wir Zementsäcke auf den Klavarienberg getragen haben, um ein paar Groschen zu verdienen. Erst nach 2 Jahren bekam ich dann endlich wieder Arbeit in der Weberei, als Nachtschichtarbeiter.“ (Quelle: Interview für die Zeitschrift OHNE MAULKORB, ohne Datumsangabe. Archiv Zeitgeschichte Museum Ebensee)

Die Zahl der österreichweiten Opfer ist umstritten. Eine offizielle Regierungsstatistik weist 314 Tote aus, davon 118 auf Seiten der Exekutivorgane. Die Standgerichte verhängten 9 tatsächlich vollstreckte Todesurteile, 7 lebenslängliche und zahlreiche Haftstrafen bis zu 20 Jahren. In den Polizei- und Gerichtsgefängnissen  wurden rund 10.000 Menschen inhaftiert. Darüber hinaus ereigneten sich einige willkürliche Erschießungen, die unter die in Kampfhandlungen getöteten Zivilisten „subsumiert“ wurden.

Als Basis für den Rundgang dienten Auszüge aus der Homepage des Zeitgeschichte Museum Ebensee (Text verfasst von Dr. Wolfgang Quatember) sowie Fotos und Dokumente aus dem Archiv des Zeitgeschichte Museum. Der hier veröffentlichte Text bildet die Grundlage für einen geführten Ortsrundgang „Auf den Spuren des Februar 1934 in Ebensee“.

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