Eigentlich wollte ich dazu nichts schreiben. Es wurde schon so viel darüber gesagt und geschrieben, wie Lisa-Maria Kellermayr im Stich gelassen wurde. Und darüber, wer sie war.

Ich maße mir nicht an, einen Nachruf schreiben zu wollen. Aber ich maße mir an darüber zu schreiben, was ich mir erwarte.

Österreich hat eine historische Kontinuität des Schweigens. Des Appeasements nach Rechts. Des „übertreibts nicht so“ und des „ja mei ma muss schon auch verstehen weil die Leut‘ fühlen sich halt abgehängt“.

Nein. Aus. Es reicht. Wenn’s eine Steigerung von „Es reicht“ gäbe, müsste sie hier stehen.

Ich hab wirklich genug. Ich hab‘ genug davon, dass kluge und engagierte Menschen lächerlich gemacht werden, bedroht werden und ihr Leben eben nicht in dieser Freiheit leben können, die Bedroher*innen doch so gerne für sich selbst beanspruchen. Ich hab die Schnauze sowas von gestrichen voll, dass Menschen in die Dunkelheit kippen und nicht mehr rausfinden, weil sie tun, was andere sich nicht trauen. Nämlich die Gefährdung von Rechtsextremist*innen, Faschist*innen, reaktionären Feiglingen und Abwiegler*innen seit Jahren und Jahrzehnten benennen und gegen sie ankämpfen.

Die Bedrohten werden allein gelassen. Als Wichtigtuer*innen hingestellt. Ein lapidares „geh zur Polizei“ ist dann die Antwort. Wir haben jetzt einen erschütternden Beweis mehr, dass auch das nix bringt.

Lisa-Maria Kellermayr wollte einfach ihre Arbeit machen. Ihr Leben leben. Für ihre Patient*innen da sein. All das wurde ihr genommen. Wofür? Für „zugeschüttete Gräben“, die von bösen, selbstsüchtigen Hetzer*innen aufgerissen wurden? Wer will sich mit Leuten an einen Tisch setzen, die sich – sobald sie ihr Bier ausgetrunken und heim ins kleine Häuschen zur Familie gefahren sind – dann an den Computer oder ans Smartphone setzen und dir „Du dreckige Hure“-Mails schicken, in denen sie dir den Tod wünschen?

Die Empathischen, Engagierten haben keine Bringschuld. Sie gehen jeden Tag ohnehin tausendfach in Vorleistung. Indem sie aushalten, kämpfen, Angst haben müssen. Und halt trotzdem nicht aufgeben, obwohl sie im Stich gelassen werden.

Und meine Güte, wie sehr gehen wir diese „Jetzt beruhigen wir uns alle mal“-Appelle auf den Keks! Die schießen so lichtjahreweit an der Situation und der Bedrohungslage vorbei und sind by the way Teil des Problems. Sie triefen vor Ignoranz und Unverständnis und suggerieren den Bedroher*innen, dass sie ruhig weitermachen dürfen, weil das Sich-Wehren der Bedrohten ja genauso schlimm sei, wie Morddrohungen zu verschicken und Galgen durch die Straßen zu tragen.

Ihr, die ihr fordert, solchen Bedroher*innen Verständnis entgegenzubringen, habt dabei mitgeholfen, dass unser Verständnis endgültig aufgebraucht ist. Verständnis für Galgen, antisemitische Verschwörungsideologien, esoterische Gemeingefährlichkeiten und rechtsextreme Auslöschungsfantasien ist nicht. Punkt. Hier sind die Grenzen in einer Demokratie zu ziehen, die schon viel zu lange Verständnis aufbringt für jene, die sie zerstören wollen.

Ich erwarte mir, diese Bedrohung als das zu sehen, was sie ist: Als fundamentaler Einschnitt in die Lebenswelt von Menschen, die es verdammt nochmal verdient haben, dass man ihnen endlich zuhört, sie ernst nimmt und ihnen hilft.

Ich erwarte mir, dass dieses Aussitzen aufhört. Dieses Aussitzen beseitigt nämlich weder die Bedrohungen noch die verheerende Lage, in der sich die Bedrohten befinden.

Ich erwarte mir, dass dieses Appeasement in Richtung Rechts, dieses Verständnis gegenüber den österreichischen Versionen der Capitol-Rioters (aka „im echten Leben sind die ja eh net zwider, die haben sich halt a bissl verrannt“) endet und der Schutz jener, die schon viel zu lange drauf warten, endlich gewährleistet wird.