Bis heute hör ich „Jede*r kann Social Media“ und „Ist ja nix dabei, das bissl Posten“. Ich will eine andere Perspektive aufmachen, die zumindest jene kennen, die in diesem oder einem ähnlichen Job gearbeitet haben oder arbeiten. 5 Jahre sind seit der Pandemie vergangen. Ein guter Zeitpunkt, um Einblick zu geben in die Arbeit des Social Media Community Managements und der online Moderation in der Politik zu jener Zeit. Und welche Ableitungen sich daraus treffen lassen.

Gleich vorweg: Zu häufig ist die Annahme, dass Kompetenzen in der Social Media Kommunikation nur eine Altersfrage sind. Das ist falsch. Nicht nur Gen Alpha und Gen Z sind Digital Natives – ihr macht by the way fantastischen Content and I love you all, weil’s hier nicht um Generationen-Ausspielen gehen soll – sondern auch Gen X und Millenials sind mit der Entwicklung von Social Media, mit Internet, Game-Cracks, den ersten online Foren und allem Drumherum auf- und mitgewachsen. Vielleicht sind wir nicht mehr ganz so skinny-tiktokable und fresh und falten- bzw. grauhaarlos. Aber wir haben trotzdem Ahnung.

Aber zurück zu Community Management, Moderation, Pandemie diesdas. Und zu meiner Erfahrung.

Was war die Situation? Ich war seit gut einem halben Jahr hauptverantwortlich für die digitale Kommunikation einer Landespartei und des Vorsitzes. Alle Social Media Kanäle und darüber hinaus auch noch einiges andere. Dazu gehörten auch Kommentar- und Community-Management. Wie’s eben so ist in dem Bereich: Irgendwas und alles mit Internet landet dann bei einer Person.

Während Onlinekommunikation davor ein AUCH war (weil man’s halt eben hat), das nicht im Fokus der täglichen Arbeit stand, wandelte sich das quasi über Nacht in eine der Hauptkommunikationsmöglichkeiten mit der Öffentlichkeit. Und der Arbeitsaufwand vervielfachte sich. Nicht nur für mich, aber hauptsächlich für mich. Und sind wir uns ehrlich. Es ist nach wie vor so, dass Pressesprecher*innen und Pressearbeit in der Hierarchie und im Ansehen einfach höher stehen als digitale Kommunikation. Kein Vorwurf. Aber wer im politmedialen Komplex unterwegs ist, sollte zumindest soweit ehrlich sein, hier zuzustimmen. Es wird als Sprungbrett gesehen, aber nicht wirklich als Profession. So ganz ernst wird es nach wie vor nicht genommen. So a bissl glauben doch alle, das zu können.

Tschuldigung, ich schweife schon wieder ab.

Also Social Media, Job, Pandemie. Meine persönliche Situation damals: Ich war Wochenpendlerin und saß allein in meinem WG-Zimmer im Homeoffice bzw. im ersten Lockdown meist allein in meiner Wohnung. Zwei mal wurde ich extrem krank (nicht Covid), ein mal mit heftigem Covid. Aber eben 90% der Zeit allein. Auch das spielte eine Rolle.

Wie hat politische Kommunikation in der Zeit ausgesehen? Wir haben kleine und große Events online durchgezogen. Manches, das es vorher bis dato nicht gegeben hatte. Und es war großartig! Bei allem war nicht nur der Content zu wuppen (mit Externen zusammen, und nein das waren nicht 20 Leute) und zu begleiten, sondern auch zu moderieren. So einiges blieb allerdings auch nach der intensivsten Pandemie-Zeit auf dem Level: in Menge und Dichte. Ich hätte 24/7 arbeiten können. Manchmal war ich auch sehr knapp dran. Ich war ein Workaholic und nahm die riesen Herausforderungen gern an. Ich war mit Herz und Hirn (pun intended) dabei. Aber eben genauso einsam wie andere auch. Wenngleich ohne Kinder, mit weniger Care-Arbeit. Ich hab‘ in der Zeit viel gelernt, aber auch viele Ressourcen verbraucht und kam von der Arbeitsdichte und dem Tempo aus jener Zeit de facto nie wieder raus.

Aber jetzt zu einem Thema, das sich bei mir wirklich bleibend eingeschrieben hat: die Erfahrungen aus dem Community-Management

Heute kann ich sagen: Ja, es war schlimm. Jeden Tag hab‘ ich hunderte Kommentare bearbeitet. Wohlgemerkt war das nur ein Teil meines Jobs. Viele davon enthielten Falschinformationen, stachelten auf gegen Impfung, Pflegepersonal, Expert*innen, Politiker*innen und evidenzbasierte Wissenschaft, verbreiteten wirklich schlimmes Bildmaterial.

Ich musste all das lesen, anschauen, prüfen, bearbeiten, taggen, kategorisieren, melden. Und meine Berichte schreiben. Ich wusste immer genau, wann wieder etwas von uns in einer wissenschaftsfeindlichen Propaganda-Telegram-Gruppe gelandet war, weil dann innerhalb von kürzester Zeit eine regelrechte Kommentarflut reinrauschte.

In den DMs war’s besonders schlimm. Drohungen, übelste Hetze, Beschimpfungen, noch schlimmere Bilder, purer Hass. Und das jeden Tag, über sehr lange Zeit. Allein da sitzen, alles abarbeiten, das eigene Leben irgendwie nebenbei wuppen, damit zurechtkommen, wegschieben. An manchen Abenden war ich so abgestumpft und fertig über so viel Grauslichkeiten, dass ich wirklich an den Menschen gezweifelt habe. Ich will das nicht dramatisieren. Aber trotzdem sagen, was war und ist. Natürlich bleibt man professionell, macht weiter, bearbeitet weiterhin Kommentare und Nachrichten, wo anderen der Tod gewünscht wird. An der Professionalität habe ich mich die ganze Pandemie hindurch festgehalten. Auch darüber hinaus. Irgendwie hab‘ ich’s trotzdem geschafft, mir meine grundsätzliche Liebe zu Menschen und meine Empathie zu erhalten.

Heute sage ich: Keine Professionalität der Welt hilft, durch so etwas durchzukommen. Weil die Abgrenzung irgendwann so viel Kraft braucht, dass für nichts anderes noch Ressourcen da sind.

Hass in der Praxis, nicht Theorie

Wenn von „Hass im Netz“ geredet wird, dann ist das für mich nichts Abstraktes. Ich war sehr lange Zeit – jahrelang – jeden Tag damit konfrontiert. Wenn ich darüber spreche, dann nicht aus der Theorie heraus. Nach langer Zeit der Reflexion und Nachbearbeitung kann ich aus dieser Erfahrung Kraft und eine enorme Menge Wissen und Expertise schöpfen.

Und das bringt mich zu einem Appell: Community- und Kommentarmanagement auf Social Media sind enorm fordernd. Inhaltlich und emotional. Es ist kein Anfänger*innenjob, sondern braucht Erfahrung und Angebote wie laufende Supervisionen.

Ich vermute, dass es eine Reihe von Kolleg*innen gibt, die auch damals ähnliche Erfahrungen gemacht haben. I see you. Sie, wir sind Expert*innen in der Krisenkommunikation und der Kommunikation in anhaltenden Extremsituationen. Weil wir’s werden mussten. Uns blieb nix anderes übrig. Es ist ein USP, den wir nicht freiwillig entwickelt haben, der aber wichtig wäre zu erkennen, zu erfragen und vor allem wertzuschätzen. Shoutout an alle, die die Auswirkungen des Bothsideism, der Covid-Leugnung und der Verharmlosung abbekommen (haben) und damit umgehen mussten/müssen.

Wenn das abgetan wird als „meine Güte hab dich nicht so das bissl beantworten“ oder „musst eh net antworten“ oder „lösch das halt einfach“, dann ist das für mich immer ein Zeichen der Inkompetenz der Person, die so etwas sagt. Interaktion ist das WICHTIGSTE, egal ob Social-Media, Forum oder whatever.

Stellt euch vor…

…ihr sitzt jeden Tag in einem Raum, wo ihr von mehreren Personen zu zig Themen wahlweise gefragt oder angebrüllt werdet. 10, 12 Stunden am Tag. Müsst euch überall auskennen, auf den Punkt recherchieren und parallel antworten. Pause gibt’s nicht, weil ihr einen gewissen Schnitt halten müsst, um die Menge zu bewältigen. Dazwischen halten euch noch ein paar Leute widerliche Fotomontagen unter die Nase oder wünschen euch die Pest an den Hals. Dann moderiert mal „professionell“, ohne dass das mit euch was macht.

Ich denke es wird deutlich, worauf ich hinauswill: Auch wenn man für den Job bezahlt wird, so viel Geld kann man gar nicht bezahlen um zu kompensieren, womit Menschen, die diesen Job haben, umgehen können müssen. Profis in jeder Hinsicht. Ungesehen, unbedankt, unterbezahlt.

Community-Management während der Pandemie hat mich nachhaltig geprägt und verändert, aber ich hab‘ auch sehr viel dabei gelernt. „Hass im Netz“ kenne ich aus unmittelbarer Nähe, die Herausforderungen und das, was es eigentlich braucht, um diese Arbeit gut machen zu können, kann ich deswegen formulieren und gegebenenfalls andere dabei unterstützen, wenn sie bei der Krisenkommunikation auf Social Media anstehen.

Ein Job für Erfahrene

Community Management ist nichts für Anfänger*innen oder etwas für „nebenbei“, das einfach mitläuft. Es ist Knochenarbeit und braucht viel Erfahrung, Kompetenzen, persönliche Stabilität und Disziplin. Nix Mittagessenfotos posten und alles Wegblocken, nur ums leichter zu haben. So wird das nämlich nix.

Und ich sag‘ mal so: Karriere machst damit nicht, weil dich alle, die den Job nicht kennen, für nicht wichtig halten. Also wertschätzt eure Kolleg*innen im Community- und Social-Media-Management. Sie stehen jeden Tag mit ihrer Arbeit in der Öffentlichkeit.

KatQuat Politik